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Viertelparität: Unterschied zwischen den Versionen

(Streitgespräch im Tagesspiegel)
 
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'''Viertelparität''' heißt, dass die an der Universität arbeitenden Menschen vier Statusgruppen zugeordnet werden:  
 
'''Viertelparität''' heißt, dass die an der Universität arbeitenden Menschen vier Statusgruppen zugeordnet werden:  
# Sonstige Mitarbeitende,  
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# [[Sonstige Mitarbeiter|Sonstige Mitarbeitende]],  
# Studierende,  
+
# [[Studierende]],  
# Wissenschaftliche MitarbeiterInnen und  
+
# [[Wissenschaftliche Mitarbeiter|Wissenschaftliche MitarbeiterInnen]] und  
# ProfessorInnen.
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# [[Professor|ProfessorInnen]].  
Bei Viertelparität haben alle vier Statusgruppen gleiches Stimmrecht in den [[Gremien]] der akademischen Selbstverwaltung.  
 
  
[[Kategorie:Uni-ABC]]
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Bei Viertelparität haben alle vier Statusgruppen <u>gleiches Stimmrecht</u> in den [[Gremien]] der akademischen Selbstverwaltung. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht bereits vor Jahrzehnten festgelegt, dass die Professoren über die Freiheit von Lehre und Forschung wachen und daher z.B. bei Berufungs- und StuPO-Fragen eine absolute Mehrheit haben müssen.
  
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Der Berliner Wissenschaftssenator Flierl schlägt eine Überkreuzwahl von Professoren auch durch andere Statusgruppen vor, um die Dominanz zu wahren, ohne jedoch gleich angestrebte [[Präsidialregime]] zu etablieren. Auch besteht Universitätspolitik nur zum Teil aus Fragen der Forschung und Lehre.
  
==Streitgespräch im Tagesspiegel==
+
==siehe auch==
 +
* [http://www.benjamin-hoff.de/infodienst/wissenschaft/200509140709.html Streitgespräch zwischen Wissenschaftssenator Flierl und FU-Präsident Lenzen] u.a. zum Thema Viertelparität und [[Präsidialregime]]
  
'''Es dürfen sich keine Präsidialregime etablieren'''
+
[[Kategorie:Uni-ABC]]
 
 
Berlins Wissenschaftssenator Flierl will die Professoren in den
 
Uni-Gremien entmachten/Ein Streitgespraech zwischen
 
* Senator Flierl
 
* Präsident Lenzen
 
 
 
TAGESSPIEGEL: Herr Flierl, nicht wenige Berliner Forscher fuehlen sich
 
von Ihrer Hochschulpolitik abgeschreckt. So will Helmut Schwarz,
 
renommierter Chemiker an der TU Berlin und Vizepraesident der DFG, nicht
 
Praesident der Humboldt-Universitaet werden. Denn anstatt die
 
Hochschulen endlich in die Autonomie zu entlassen, gaengele der Senat
 
sie zunehmend als "nachgeordnete Behoerden". Eine angesehene Hochschule
 
verliert einen attraktiven Kandidaten  muessen Sie Ihre Politik
 
ueberdenken?
 
 
 
FLIERL: Das ist keine sachgerechte Darstellung der Berliner
 
hochschulpolitischen Verhaeltnisse. Vielleicht sucht der Kandidat einen
 
Grund, das Amt auszuschlagen. Im bundesdeutschen Vergleich haben wir mit
 
dem Hochschulvertrag in Berlin eine gute Position, wir steuern die
 
Hochschulen auf Abstand, es gibt keine direkten Ministerialeingriffe
 
mehr. In der Tat geht es jetzt aber darum, die Hochschulautonomie weiter
 
zu staerken.
 
 
 
TAGESSPIEGEL: Herr Lenzen, uebertreibt Helmut Schwarz?
 
 
 
LENZEN: Ich glaube nicht. Wir wuenschen uns in der Tat mehr Autonomie.
 
Es war lange Zeit so, dass Berlin einen Autonomie-Vorsprung hatte, aber
 
den drohen wir jetzt zu verlieren. Die TU Darmstadt etwa hat weit mehr
 
Entscheidungskompetenzen, Niedersachsen und Baden-Wuerttemberg haben
 
neue Hochschulgesetze. In Berlin dagegen sollen gerade die Hochschulen
 
ihr eigenes Liegenschaftsmanagement an eine zentralistische Organisation
 
verlieren. Man muss im Gegenteil ueber andere Rechtsformen nachdenken,
 
Stiftungsmodelle oder Teilprivatisierungen, die mehr Beweglichkeit
 
schaffen.
 
 
 
TAGESSPIEGEL: Herr Flierl, koennte das in Berlin so laufen?
 
 
 
FLIERL: Der alleinige Diskurs ueber die Autonomie der Hochschulen reicht
 
nicht hin. Jeder einigermassen philosophisch gebildete Mensch wird
 
erkennen, dass die Kategorie der Autonomie zwingend die Kategorie der
 
Heteronomie als dialektisches Gegenstueck braucht, sonst ist sie gar
 
nicht zu denken. Meine Vision von Staerkung der Autonomie der
 
Hochschulen ist, dass diese mit einer weiteren inneren Demokratisierung
 
der Hochschulen verbunden wird. Die Gefahr ist doch, dass die Reduktion
 
der oeffentlichen Haushalte dazu fuehrt, dass eine vermeintlich autonome
 
Hochschule sich in neue Abhaengigkeiten begibt, zum Beispiel von
 
Partnern in der Wirtschaft, von den Kraeften des Geldes.
 
 
 
LENZEN: Wir brauchen Rechtsformen, die Staatsverantwortung wahren, aber
 
eben auch eine effiziente Steuerung moeglich machen. Wir taumeln auf
 
eine oekonomische Situation zu, in der wir gar keine andere Wahl haben.
 
Mir ist es wichtiger, viele junge Leute, besonders auch aus
 
bildungsfernen Schichten, mit hoher Qualifikation in die Zukunft zu
 
fuehren, als weiter abbauen zu muessen. Wir brauchen das Recht, eigene
 
Einnahmen zu erzielen  und das Berufungsrecht.
 
 
 
TAGESSPIEGEL: Wuerden Sie den Hochschulen das Berufungsrecht
 
ueberlassen, Herr Flierl?
 
 
 
FLIERL: Ja, das waere mit der anstehenden Novelle des Berliner
 
Hochschulgesetzes moeglich. Das jetzige Berufungsrecht ist in der Tat
 
noch ein absolutistisches Rudiment. In meiner Zeit als Senator gab es
 
allerdings ohnehin keine ministerialbuerokratisch oder gar politisch
 
motivierten Personalentscheidungen. Das war in den vergangenen Jahren
 
durchaus anders. In mehr als 95 Prozent folgen wir den Berufungslisten
 
der Universitaeten.
 
 
 
TAGESSPIEGEL: Was ist mit den uebrigen fuenf Prozent?
 
 
 
FLIERL: Manchmal wurden Aspekte der Gleichstellung nicht beruecksichtigt
 
oder die Strukturplanungen der Uni. Teilweise hat auch die
 
Universitaetsleitung, obwohl sie gar nicht dazu befugt ist, andere
 
Vorstellungen unterbreitet als die Berufungskommission oder der
 
Akademische Senat. Dann haben wir geprueft.
 
 
 
LENZEN: Herr Flierl, Sie haben einer Hochschulleitung gerade die
 
Befugnis abgesprochen. Genau hierum geht es. Wenn man einen Wettbewerb
 
zwischen den Universitaeten wuenscht, dann gehoert natuerlich dazu, dass
 
diejenigen, die fuer die Institution verantwortlich sind, auch die
 
Personalpolitik machen koennen  in erster Linie die Fachleute aus den
 
Fachbereichen. Die gesamtstrategische Steuerung muss in die Haende der
 
Hochschulleitungen, also der Dekanate und Praesidien, gebracht werden.
 
Denn die Gesamtlinie einer Uni kann nicht von einer Berufungskommission
 
ueberblickt werden. Kein Mensch kaeme auf den Gedanken, die
 
Bereichsleiter bei Mercedes durch den Wirtschaftsminister oder die
 
Belegschaft auswaehlen zu lassen. Oder nehmen wir den
 
Exzellenzwettbewerb. Der wird zu einer einzigartigen Verschiebung von
 
Schwerpunkten in den Universitaeten fuehren. Deshalb haben DFG und
 
Wissenschaftsrat den Hochschulleitungen als Antragsteller eine besondere
 
Rolle zugewiesen.
 
 
 
FLIERL: Ich kann verstehen, dass aus der Sicht eines Praesidenten
 
unternehmensaehnliche Steuerungsmodelle beispielgebend sind. Aber es
 
kann nicht sein, dass sich Praesidialregime entwickeln, die sich ueber
 
die Gremien hinwegsetzen. Es gab ja das boese Wort von Gerhard Casper,
 
dem ehemaligen Stanford-Praesidenten, Demokratie habe an den Hochschulen
 
nichts zu suchen. Ich sage: Autonomie als Selbstzweck bringt nichts. Das
 
fuehrt nur zu staerkerer Hierarchisierung in der Hochschule und zur
 
staerkeren Auslieferung an Partner, die nicht unmittelbar das
 
oeffentliche Interesse vertreten. Autonomie kann nur mit doppelter
 
Demokratisierung verbunden sein, nach innen und gegenueber der
 
Gesellschaft.
 
 
 
TAGESSPIEGEL: Die Professoren haben zu viel Macht?
 
 
 
FLIERL: Die Umsetzung der Sparbeschluesse und die neue Strukturplanung
 
war eine grosse Leistung der Hochschulleitungen, die allerdings im
 
Wesentlichen als Top-down-Verfahren gelaufen ist. Ich habe grosse Sorge,
 
dass die Hochschulleitungen daraus einen Dauerzustand machen und
 
Praesidialregime etablieren wollen. Wir brauchen das Gegenstromprinzip.
 
Der komplizierte Strukturumbau, der stattfindet, braucht die Mitwirkung
 
aller Gruppen, sonst wird er an Widerstaenden scheitern.
 
 
 
TAGESSPIEGEL: Wie soll die Demokratisierung geschehen?
 
 
 
FLIERL: Indem man die satzungsgebenden Gremien gruppenparitaetisch
 
verfasst. Das haben wir auch in der Koalitionsvereinbarung so
 
festgeschrieben. Das Bundesverfassungsgericht schreibt zwar eine
 
Dominanz der Professoren als Gruppe vor. Doch die wuerde dadurch
 
realisiert, dass man ein Ueberkreuzwahlverfahren etabliert: Auch die
 
anderen Statusgruppen haetten die Moeglichkeit, die Professoren mit zu
 
waehlen. Wenn klar ist, dass alle wissenschaftsrelevanten Fragen von der
 
Mehrheit der Professoren entschieden werden, spricht nichts dagegen,
 
alle anderen Fragen durch viertelparitaetisch besetzte oder ueberkreuz
 
gewaehlte Gremien zu entscheiden.
 
 
 
LENZEN: Es gibt nicht die Spur eines Anhaltspunktes dafuer, dass die
 
jetzigen Gremien nicht funktionieren. Wenn es die jetzige Struktur nicht
 
gegeben haette, dann waeren die Sparmassnahmen des Senats nicht
 
umsetzbar gewesen  es sei denn durch eine Top-down-Entscheidung des
 
Senators. Es kann doch nicht sein, dass die Hochschullehrer dafuer gut
 
genug waren und jetzt, da wir in die Gestaltungsphase kommen, heisst es:
 
"Jetzt macht ihr Professoren das nicht mehr, sondern das machen die
 
anderen". Die Professoren haben, weil sie neben den wissenschaftlichen
 
Mitarbeitern viel laenger als Studierende in einer Uni arbeiten, die
 
Folgen von Entscheidungen fuer ihre Wissenschaft am intensivsten zu
 
tragen.
 
 
 
TAGESSPIEGEL: Herr Flierl, wuenschen sich die Studierenden und der
 
Mittelbau wirklich, dringend mehr Einfluss zu bekommen, weil staendig
 
die Demokratie ausgebremst wird?
 
 
 
FLIERL: Es geht nicht um eine soziale Bewegung, die wir aufzugreifen
 
haetten, und es geht auch nicht um eklatante Steuerungsfehler. Es geht
 
um die Grundauseinandersetzung, was soll Hochschule sein. Das von Herrn
 
Lenzen eben dargestellte Modell, wonach die Hochschule die Umgebung fuer
 
Professoren als Beamte auf Lebenszeit sein soll, entspricht einer
 
archaischen Ordinarienvorstellung. Wir brauchen die Integration der
 
anderen Gruppen, den motivierten wissenschaftlichen Nachwuchs und
 
Mittelbau ebenso wie die in den Hochschulen beschaeftigten
 
Dienstkraefte. Wir muessen auch das Interesse der Studierenden an einem
 
studierbaren Studium ernst nehmen, auch wenn es sich nicht umfassend
 
politisch in den traditionellen Formen von Studentenbewegung
 
artikuliert.
 
 
 
LENZEN: Das geht doch voellig an der Wirklichkeit vorbei. Berlin hat die
 
geringste Entscheidungsbeteiligung der Hochschullehrer in Deutschland.
 
Wo immer Sie in dieser Republik darueber sprechen, dass hier die
 
Viertelparitaet eingefuehrt werden koennte, ernten Sie Mitgefuehl und
 
Empoerung. Meine Sorge ist, dass wir etwa bei dem Exzellenzwettbewerb
 
oder bei anderen Zuwendungen Dritter, auf die wir angewiesen sind,
 
hoeren werden: "Mit uns aber nicht, klaert erst mal die Verhaeltnisse."
 
Gluecklicherweise hat ja aber der Regierende Buergermeister versprochen,
 
dass aus Ihren Plaenen nichts wird.
 
 
 
TAGESSPIEGEL: Koennte die Viertelparitaet Berlins Unis im
 
Exzellenzwettbewerb benachteiligen?
 
 
 
FLIERL: Da wuerde ich heftig widersprechen. Hochschule muss sich auch in
 
Zeiten eines Exzellenzwettbewerbs stets neu denken. Wir sind ja vor
 
allem einem Mainstream an neoliberalen Konzepten ausgesetzt, der
 
Universitaeten wesentlich als Unternehmen denkt. Sie, Herr Lenzen,
 
bewerben sich mit Ihren Projekten im Exzellenzwettbewerb und nicht mit
 
der Berliner Hochschulpolitik. Sie koennen also auch nicht die Berliner
 
Hochschulpolitik fuer die Aussichtschancen Ihrer Bewerbung zustaendig
 
machen. Die Debatte um Exzellenzcluster fuehrt ja gerade dazu,
 
Wissenschaft neu in gesellschaftliche Zusammenhaenge einzufuehren. Dann
 
heisst das auch, dass die Hochschulen sich als
 
gesellschaftlich-oeffentliche Institution neu denken, auch wenn Ihnen
 
das laestig erscheint. Die Vorstellung, der Staat stoert nur bei der
 
Modernisierung der Hochschulen scheint mir voellig falsch zu sein.
 
 
 
TAGESSPIEGEL: Wann kommt das neue Hochschulgesetz?
 
 
 
FLIERL: Ich gehe davon aus, dass die Novelle noch in dieser
 
Legislaturperiode auf den Weg kommt.
 
 
 
TAGESSPIEGEL: Und der Regierende Buergermeister, der die Viertelparitaet
 
nicht will?
 
 
 
FLIERL: Der Regierende Buergermeister hat in diesem Fall keine
 
Fachzustaendigkeit, wird aber sicher als wichtiger politischer Partner
 
seine Meinung dazu einbringen und wie bisher sein Ohr den
 
Uni-Praesidenten leihen. Wenn es nicht gelingen sollte, diese Debatte
 
jetzt zu fuehren, wird das Thema im naechsten Jahr in den Wahlkampf
 
beziehungsweise in die Koalitionsverhandlungen fuer eine neue Regierung
 
eingehen.
 
 
 
LENZEN: Ich kann nur hoffen, dass wir nicht noch einmal in eine
 
Grundsatzdebatte ueber die Funktion der Hochschulen hineingezogen
 
werden. Wir muessen in den naechsten zwei Jahren alle Kraefte auf den
 
Exzellenzwettbewerb konzentrieren. Daher kann ich nur appellieren, das
 
Thema ein fuer alle Mal zu beenden und die Wettbewerbsfaehigkeit der
 
Berliner Universitaeten nicht weiter zu gefaehrden.
 
 
 
Die Fragen stellte Anja Kuehne fuer den Tagesspiegel vom 12.09.2005
 

Aktuelle Version vom 5. März 2013, 19:33 Uhr

Viertelparität heißt, dass die an der Universität arbeitenden Menschen vier Statusgruppen zugeordnet werden:

  1. Sonstige Mitarbeitende,
  2. Studierende,
  3. Wissenschaftliche MitarbeiterInnen und
  4. ProfessorInnen.

Bei Viertelparität haben alle vier Statusgruppen gleiches Stimmrecht in den Gremien der akademischen Selbstverwaltung. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht bereits vor Jahrzehnten festgelegt, dass die Professoren über die Freiheit von Lehre und Forschung wachen und daher z.B. bei Berufungs- und StuPO-Fragen eine absolute Mehrheit haben müssen.

Der Berliner Wissenschaftssenator Flierl schlägt eine Überkreuzwahl von Professoren auch durch andere Statusgruppen vor, um die Dominanz zu wahren, ohne jedoch gleich angestrebte Präsidialregime zu etablieren. Auch besteht Universitätspolitik nur zum Teil aus Fragen der Forschung und Lehre.

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